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Warum Akupunktur bei Babys und Kindern?

~ 9 Minuten
Thomas Wernicke

Dieser Beitrag geht der Notwendigkeit der Entwicklung des Shōnishin nach und erklärt, welche Vorteile die nadellose Akupunktur als Behandlungsmethode für Babys und Kinder mit sich bringt.

In der Akupunktur bei Kindern gibt es zwei unterschiedliche Arten der Behandlung. Bei der einen geht man davon aus, dass das Meridiansystem von Geburt an entwickelt ist. Hier wird mit Akupunktur-Nadeln oder mit dem Laser gearbeitet.[1,2]

Von dieser Sichtweise unterscheidet sich eine weitere. Diese besagt, dass zwar die Meridiane bei Geburt angelegt sind, dass sie aber sich ebenso wie alle anderen Körpersysteme in den ersten Lebensjahren entwickeln müssen. Auf dieser Grundlage entstand eine entwicklungsorientierte Akupunkturmethode, die mit einem speziellen Instrument die Haut - ohne sie zu durchdringen - sanft stimuliert. Gerade im Bereich der Regulationsstörungen, die für viele Familien eine große Herausforderung darstellen, entfaltet diese sanfte Variante ihre besondere Wirkung.

Die Entwicklung einer sanften Kinder-Akupunktur

Demnach muss bei einer Akupunkturbehandlung unserer Babys und Kinder nicht unbedingt mit Nadeln an Akupunkturpunkten gestochen werden. Denn glücklicherweise entstanden im Laufe der letzten 100 Jahre Akupunktur-Behandlungsmethoden, bei denen ohne Nadeln und damit ohne Stechen gearbeitet wird. Eine dieser Weiterentwicklungen ist die Kinderakupunktur Shōnishin.

Der Begriff Shōnishin, der sich aus den japanischen Schriftzeichen shōni = Kind und shin = Nadel/Nadelung zusammensetzt, zeigt an, dass diese spezielle Form der Kinderakupunktur aus Japan kommt. Wie auch in China wurden Kinder in Japan ursprünglich mit Akupunkturnadeln gestochen. Doch Anfang des 20.Jh. entwickelte sich aus dieser stechenden Vorgehensweise eine sanfte, nicht-invasive Behandlungsmethode. 

Zu einer zeitgemäßen Weiterentwicklung kam es dann in Deutschland zu Beginn des 21. Jh. Die Auseinandersetzung mit der Neurophysiologie, der Entwicklungspsychologie, der Entwicklungsphysiologie und dem Meridiansystem (Meridiane = aus der Akupunktur bekannte Energiebahnen) führte dazu, dass sich Shōnishin als eine moderne Baby- und Kinderbehandlungsmethode aus der Tradition Japans weiterentwickeln und etablieren konnte und zum Bestandteil einer integrativen Pädiatrie wurde.[3]

Damit entstand eine perfekt für Babys und Kinder geeignete Behandlungsmethode, die sich über deutschsprachige und weitere europäische Länder bis nach Australien verbreitete und letztendlich auch den Weg zurück nach Japan fand.

Das Modell der Meridianentwicklung

Ein allgemein gültiges Entwicklungsprinzip besagt, dass sensorische, emotionale und energetische Entwicklung in Schritten stattfindet und dass jeder Entwicklungsschritt auf den vorherigen aufbaut. Betrachten wir die Entwicklung von Geburt bis zum Erwachsensein, dann vollzieht sich der erste große Entwicklungsschritt vom Neugeborenen über das Vierfüßler-Dasein bis zum freien Laufen. Der zweite Entwicklungsschritt vom freien Laufen bis zur Schulfähigkeit, der dritte von der Schulfähigkeit zum Erwachsenen und die vierte ist die Erwachsenenzeit. 

Bei der Beschreibung dieser vier Entwicklungsschritte lassen sich Erkenntnisse aus der sino-japanischen und der westlichen Denkweise zusammenführen und Parallelen aufdecken.[4] Das bedeutet, dass auch die Meridianentwicklung als ein Aspekt der energetischen Entwicklung sich schrittweise vollzieht. 

Dabei ist die Qualität der Meridianentwicklung entscheidend dafür, wie die weitere Entwicklung verläuft. Sie bestimmt, wie stark sich Kompetenzen hinsichtlich aller Lebenssituationen ausprägen und wie souverän mit den Aufgaben, die das Leben bereithält, umgegangen werden kann. Daher ist es in der Behandlung von Babys und Kindern so wichtig, sowohl deren senso-motorisch-emotionalen als auch deren energetischen Entwicklungsstand zu berücksichtigen.

Weniger ist mehr

In die Praxis umgesetzt bedeutet das, dass Kinder entsprechend ihrem energetischen Entwicklungsstand therapeutisch abgeholt werden. Hier zeigt sich die Besonderheit dieses »modernen« Shōnishins. Sie ist darin begründet, dass neuro-anatomische und physiologische Gegebenheiten mittels shōnishin-spezifischer Behandlungstechniken direkt in die Praxis umgesetzt werden können. 

Dies geschieht mit feindosierten und sehr zarten Stimulationen, auf die Kinder - besonders Babys - wesentlich sensibler und unmittelbarer als Erwachsene reagieren. Dabei ist der Reiz derart minimal, dass es für einen Laien kaum erkennbar ist, wie solche Mini-Reize überhaupt einen therapeutischen Effekt haben können. Das Erstaunliche dabei ist: Trotz minimalem Reiz ist die Behandlung äußerst effektiv. Mehr noch – Shōnishin-Akupunkteure und -Akupunkteurinnen wissen, dass die Behandlung umso erfolgreicher ist, je weniger sie machen! Denn auch im Shōnishin gilt: Weniger ist mehr! 

Das unreife vegetative Nervensystem 

Im Fokus der Behandlung mit Shōnishin steht – neben dem Meridiansystem - das vegetative Nervensystem (VNS). Dieses reguliert jeden von uns und natürlich auch das Baby. Da ist zum einen der Anteil des VNS, der für die Anspannung – aber auch für die Aktivität – zuständig ist, der Sympathikus. Dieser ist z.B. für die Produktion von Stresshormonen verantwortlich. Als Gegenspieler zum Sympathikus haben wir den Parasympathikus, der uns dazu befähigt entspannen und regenerieren zu können.

Somit werden unsere vegetativen Funktionen wie Schlaf-/Wachrhythmus, Verdauung, Anspannungs- und Entspannungsfähigkeit, Herstellen eines inneren Gleichgewichts und vieles mehr vom VNS gesteuert. Doch gerade bei Babys ist das VNS noch sehr unreif. Daher leiden sie oft unter Symptomen, die als ´Regulationsstörung´ oder ´Anpassungsstörung´ bezeichnet werden. 

Darunter fallen Schlafstörungen, häufiges Schreien, Sich-Nicht-Beruhigen-Können – also alles Störungen, die anzeigen, wie schwierig es für viele Babys ist, sich zu regulieren. Doch bei manchen Babys sind diese Regulationsstörungen sehr ausgeprägt oder gar exzessiv. Dann ist dringend Hilfe geboten, denn das ganze Familiengefüge kann in solchen Fällen schnell überfordert werden. 

Schreibaby als Folge von Regulationsstörungen

Schauen wir uns beispielsweise das sogen. Schreibaby an. Ein Schreibaby zu haben ist für die ganze Familie eine sehr große Herausforderung. Schreibabys lassen sich durch nichts beruhigen. Für die Eltern bedeutet das: Schlafentzug und überstrapazierte Nerven mit allen Folgen, die daraus resultieren können. Und oft wird zudem noch der Mutter das Gefühl vermittelt, dass sie ihr Baby nicht richtig „im Griff“ habe – schlimmer noch, dass sie als Mutter versage. 

Hauptthema beim Schreibaby ist in den überwiegenden Fällen das Regulationsproblem. Denn beim Neugeborenen sind zunächst einmal alle Systeme unreif. Diese Unreife bezieht sich auf das sensorische System (Sinnesentwicklung), auf das emotionale System, auf das motorische System (Bewegungsentwicklung) und natürlich auch auf das VNS. 

Letzteres ist besonders durch einen sehr ausgeprägten Sympathikus im Vergleich zum Parasympathikus gekennzeichnet – insbesondere während der ersten drei Monate. Beim Schreibaby ist dieses Ungleichgewicht extrem ausgeprägt. Das ist der Moment, wo man therapeutisch ansetzen sollte.

Kann ich mit Akupunktur das vegetative Nervensystem regulieren?

Das ist mit Shōnishin möglich. Um eine Regulation des VNS herbeizuführen wird im Shōnishin auf der Körperoberfläche mit einer extrem sanften Streichtechnik an ausgewählten Körperarealen gearbeitet. Im Bereich dieser Areale findet sich eine hohe Anzahl bestimmter Nervenzellen, die mit einem stiftähnlichen Instrument mittels einer altersabhängigen Streichfrequenz stimuliert werden. 

Als Folge davon kommt es zu einer erhöhten Ausschüttung des Glückshormons Oxytocin.[5] Dieses aus der Geburtshilfe bekannte Hormon hat auch einen Einfluss auf das VNS. Es stimuliert den Parasympathikus und führt damit zu einer Regulation des vegetativen Nervensystems. 

Da Babys deutlich schneller als Erwachsene auf eine solche Stimulation reagieren, lässt sich bei ihnen der Effekt sehr gut beobachten. Oft schon unter der Behandlung kann beobachtet werden, wie das Baby sich entspannt. Und bei der nächsten Behandlung wird dann in den überwiegenden Fällen berichtet, dass Verdauung oder Schlaf sich deutlich gebessert haben und überhaupt das Baby viel ausgeglichener sei. 

Auch das Baby, das vormals so exzessiv geschrien hatte, schreie zwar immer noch, aber viel seltener. Jetzt sind seine Gründe zum Schreien nachvollziehbar. 

Abb. 1

Wie sieht eine Behandlung mit Shōnishin aus?

Das meist spontane Ansprechen auf die Behandlung mit Shōnishin macht eine längere Behandlungsreihe überflüssig. Maximal drei Behandlungssitzungen sind in der Regel erforderlich. 

Bei Babys und Kindern kommen neben der Streichtechnik (Abb.1) auch Druck- und Klopftechniken an bestimmten Reflexzonen und Meridianabschnitten zur Anwendung. Zusätzlich werden Vibrationstechniken an ausgewählten Akupunkturpunkten (Abb.2) durchgeführt. [6] Die Behandlungszeit ist sehr kurz und beträgt bei Säuglingen weniger als fünf Minuten und steigert sich mit zunehmendem Alter auf acht bis zehn Minuten bei Teenagern und Erwachsenen. Bei funktionellen und akuten Beschwerden wird Shōnishin in der Regel ein- bis zweimal pro Woche, in seltenen Fällen auch täglich durchgeführt, bei chronischen alle eins bis zwei Wochen.

Abb. 2

Fazit

Anders als bei der herkömmlichen Akupunktur für Kinder, die aus der Erwachsenenbehandlung kommt, ist die Kinderakupunktur Shōnishin in ihrer ´modernen´ Weiterentwicklung eine Behandlung, die für Babys und Kinder konzipiert wurde. Als nadelfreie sanfte Behandlungsmethode ist sie ausgesprochen kindgerecht. Eine ausgefeilte, dem jeweiligen Kind angepasste Behandlungstechnik reguliert das Meridiansystem und das VNS.

Wichtig für das Behandlungskonzept ist, dass die (früh-) kindliche Entwicklung mit einbezogen wird. Das gilt für die senso-motorische und emotionale Entwicklung ebenso wie für die energetische Entwicklung. Damit werden Babys und Kinder nicht ihrem Alter entsprechend, sondern ihrem Entwicklungsstand entsprechend behandelt.

Shōnishin kann auch bei Erwachsenen angewandt werden, besonders bei jenen mit Nadelangst oder bei jenen, die sensibel reagieren. 

Literatur
[1]

Avern R. Acupuncture for Babies, Children and Teenagers. Singing Dragon, London 2019

[2]

Scott J., Barlow T. Akupunktur in der Behandlung von Kindern. Verlag für Ganzheitliche Medizin, Kötzting 2003

[3]

Wernicke T. Shōnishin – Entwicklungsphysiologie und Meridianentwicklung in der  Kinderakupunktur. Kiener, München 2022

[4]

Kalbantner-Wernicke K, Wernicke T. Die energetische Entwicklung des Menschen. Einsichten aus west-östlicher Tradition und Wissenschaft. Kiener, München 2022

[5]

Uvnäs-Moberg K., Arn I., Magnusson D. The psychobiology of emotion: the role of the oxytocinergic system, Int J Behav Med 2005, 12, 59–65

[6]

Wernicke T. Shōnishin – The Art of Non-Invasive Paediatric Acupuncture. Singing Dragon, London 2014

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