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Mission Lesbos

Der Kinderpsychiater Sylvain Juilland berichtet von seiner Akupunktur- und Shōnishin-Behandlung bei Geflüchteten auf Lesbos.

~ 4 Minuten

Der Kinderpsychiater Sylvain Juilland, Leiter des Centre Shōnishin Lausanne, hatte zwei Wochen auf Lesbos im Mavrovouni-Lager verbracht, um Geflüchtete aus Afghanistan zu behandeln. Neben der Akupunktur konnte er auch drei Kinder mit Shōnishin behandeln. Hiervon berichtet er in der folgenden Zusammenfassung:

Alle drei Kinder, die ich mit der japanischen nadellosen Kinderakupunktur Shōnishin behandelte, waren im Alter von 6 Jahren.

Das erste von mir behandelte Kind litt an chronischer Verstopfung. Nach nur einer Behandlung mit Shōnishin kommt es zur Regularisierung der Verdauung.

Das zweite Kind,S., leidet an einer Muskelschwäche der unteren und oberen Gliedmaßen. Die Ursache davon war unklar.

Seine Eltern berichteten von einer seit etwa einem Jahr bestehenden chronischen Verstopfung und von einer Appetitlosigkeit seit einigen Monaten. Nachts schlafe er nicht gut. Er hat Orthesen für seine unteren Gliedmaßen, trage diese aber nicht, da die Eltern glauben, dass ihm eine mögliche chirurgische Behandlung in Deutschland mehr nütze. Im Juni gelang es schließlich Sandra, einer englischen Therapeutin, ihm ein paar Schädelakupunktur Sitzungen zu geben und sie einigten sich darauf, dass er mit der Physiotherapie beginnen sollte.

Auf mich wirkte dieses Kind sehr traurig - wie tot. Er vermied visuellen und auch emotionalen Kontakt, dennoch war er kooperativ und akzeptierte bereitwillig, dass wir uns um ihn kümmern. Sein Vater glaubte, dass er an einer psychischen Erkrankung leidet. 

Persönlich denke ich, dass er deprimiert ist und von seinen Eltern kaum gefördert wird (z. B. trägt ihn sein Vater und steckt ihm Essen in den Mund, auch wenn er es selbst tun kann).

Nach einer Shōnishin-Sitzung schlief er besser, sein Appetit verbesserte sich merklich und er schien weniger verstopft zu sein. Nach drei Sitzungen war die Verstopfung behoben. Appetit und Schlaf verbesserten sich allmählich weiter. Nach sieben Sitzungen schien mir S. plötzlich viel lebhafter. Er hatte mehr Energie und verhielt sich jetzt eher wie ein normales Kind seines Alters. Auch bei der neunten und letzten Behandlung innerhalb dieser zwei Wochen waren Schlaf und Appetit noch sehr gut. S. war zunehmend präsent, mehr im Kontakt, fing an zu widersprechen und war manchmal sogar neckisch.

Das dritte Kind (A.), das ich mit Shōnishin behandelte, wird seit zwei Jahren (also seit seinem vierten Lebensjahr) als traurig beschrieben. Er hatte keinen Appetit, keine Lust mit seinen Freunden zu spielen und nachts litt er unter Albträumen und wiederholtem nächtlichen Erwachen. Auch beobachteten seine Eltern vielfältige Ängste. Als ich ihn zum ersten Mal traf, wirkte A. tatsächlich sehr traurig und deprimiert und versteckte sich in den Röcken seiner Mutter.

Die Shōnishin-Behandlung, die er erhielt, basierte auf einer Behandlung, die Thomas Wernicke zur Behandlung kriegstraumatisierter ukrainischer Kinder entwickelt hatte. Schon nach der ersten Sitzung berichteten seine Eltern, dass A. offenbar besser schlafe – auch habe sich seine Stimmung etwas gebessert. Zur zweiten Sitzung kam er alleine angerannt, motiviert und lächelnd! Insgesamt erhielt er in vier Tagen drei Behandlungen.

Eine Woche später sah ich ihn für eine vierte und letzte Behandlung wieder. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass A. gerne mit seinen Freunden spielte, was völlig neu war. Auch schlafe er gut, habe keine Albträume und auch kein nächtliches Aufwachen mehr und insgesamt weniger Ängste.

Soweit meine kleinen Erlebnisse auf Lesbos. Wie man sieht habe ich nicht völlig akademisch gearbeitet. Die beiden letztbeschriebenen Kinder hatte ich während meiner zwei Wochen im Flüchtlingslager sehr oft gesehen und die Ergebnisse waren wirklich interessant. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sie überreizt hatte, im Gegenteil, sie waren so anspruchsvoll und dankbar.

Sylvain Juilland