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Das Samurai-Programm

ein Interview mit Martina Ecker

~ 9 Minuten

Martina Ecker wohnt in Niederösterreich und arbeitet mit dem Samurai-Programm und mit BabyShiatsu. Seit 2015 koordiniert sie das Samurai-Programm und unterrichtet KinderShiatsu. Sie ist gemeinsam mit Karin Kalbantner-Wernicke Vorstand der Fördergesellschaft Samurai-Programm e.V..

Karin Kalbantner-Wernicke: Liebe Martina, heute würde ich gern mit dir über das Samurai-Programm sprechen. Du bist mit einem Team für die ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse) im Einsatz. Kannst du bitte das Projekt beschreiben?

Martina Ecker: Seit 2016 ist das Programm „Fit für die Schule – Stark fürs Leben“ Teil des Angebotes der ÖGK in Niederösterreich im Rahmen des Projektes „Gesunde Volksschule“. Seit dem Schuljahr 2022/2023 sind wir auch mit dem Programm „Aufrecht durchs Leben – Kinder in Balance“ dabei.

Im Rahmen dieses Projektes halten Samurai Trainer:innen, an den Schulen, die wir von der ÖGK zugeteilt bekommen, zuerst eine Lehrerfortbildung zum Samurai-Programm. Ziel dieser Fortbildung ist, dass die Pädagogen die Hintergründe und Wirkungsweise aber auch schon die Übungen unseres Programmes kennenlernen.

Danach gehen wir 3 x für je eine Stunde in die Klassen und führen die Kinder durch unser Programm. Die Kinder behandeln sich selbst, aber auch gegenseitig. Dabei lernen sie, Verantwortung für sich selbst als auch für andere zu übernehmen. Das behandelte Kind trainiert nicht nur die Eigenwahrnehmung, sondern auch das Artikulieren und Beschreiben der eigenen Befindlichkeit. Das behandelte Kind gibt seinem Partner die Rückmeldung wie sich die Berührung anfühlt, ob sie angenehm, zu stark, zu sanft oder zu schnell ist. Das behandelnde Kind muss auf diese Feedbacks reagieren und seine Behandlung an die Empfindungen seiner Mitschüler:in anpassen, was wiederum ein ideales Training für die Feinmotorik ist.

Im Sinne der Nachhaltigkeit wird das Programm durch einen Eltern-Kind-Mitmach-Workshop abgerundet. Hier lernen auch die Eltern die Übungen und ihre Wirkung kennen und können sie dann zu Hause mit ihren Kindern durchführen. Meist ist es aber ohnehin so, dass die Kinder die Übungen zu Hause schon gezeigt haben und von den Eltern eine „Behandlung“ einfordern. Dabei sind sie deutlich strenger bei der korrekten Durchführung bzw. beim Einfordern von Druckqualitäten als wir Trainer es sind ….

KKW: Was ist für dich das Besondere am Samurai-Programm?

ME: Durch die unterschiedlichen Berührungen und Bewegungen lernen Kinder und Erwachsene sich besser zu spüren und zu konzentrieren. Sie bekommen ein besseres Gefühl für ihre Bedürfnisse und lernen, diese auch auszudrücken.

Das Samurai-Programm ist so konzipiert, dass durch die verschiedenen Angebote sowohl die Meridiane als auch die verschiedenen Sinnessysteme angesprochen und aktiviert werden. So ganz „nebenbei“ wird also auch die Wahrnehmung geschult.

Durch die klare Struktur der Samurai-Programme und die leicht erlernbaren Übungen können Kinder, Schüler und Erwachsene die Übungen bereits nach drei Trainingseinheiten durchführen.

Das Programm ist in unterschiedlichen Settings einsetzbar: im Kindergarten, in der Schule oder im Seniorenheim. Und dort immer mit altersgerechter Darstellung der Behandlungsabläufe und Übungen.

Mir persönlich sind die Lehrerfortbildungen besonders wichtig. In allen aceki-Programmen gehen wir immer davon aus, dass kindliches Verhalten einen Sinn hat. Kinder zeigen uns durch ihr von Erwachsenen „nicht erwünschtes“ Verhalten, dass sie etwas brauchen bzw. dass etwas nicht stimmt. Oft wird dieses Verhalten aber als persönlicher „Angriff“ empfunden. So glauben Erwachsene in vielen Fällen, das Kind verhält sich so, um mich zu ärgern. Wenn Pädagogen erkennen, welche Möglichkeiten als Ursache für dieses kindliche Verhalten in Betracht kommen, sind sie offener dafür, Veränderungen einzuleiten. Es fasziniert mich immer zu beobachten welche Möglichkeiten entstehen, wenn diese Veränderung im „Mindset“ der Erwachsenen einsetzt.

KKW: Was bewirkt das Samurai-Programm für die Schule?

ME: Der wichtigste Punkt ist – vor allem jetzt nach Corona – eine Verbesserung der Körperwahrnehmung, der Tiefenwahrnehmung und damit auch der eigenen Grenzen. Das ist wichtig, um auch die Grenzen anderer wahrzunehmen und zu respektieren. Unsere Praxiserfahrungen zeigen, dass diese Haltung zu einem respektvollen, achtsamen Umgang miteinander führt - bei Kleinen und Großen.

Aufrichtung und Körperhaltung sind ebenfalls wichtige Aspekte, die bei regelmäßiger Durchführung unserer Übungen deutlich verbessert werden.

Weiterhin lernen die Kinder Selbstwirksamkeitstechniken. Diese können sie anwenden, wenn sie bei einer Aufgabe müde werden, wenn sie Kopfschmerzen haben oder wenn sie nervös sind. Das ist sehr, sehr wichtig. Denn dadurch fühlen sie sich einer stressigen Situation – z.B. vor einer Klassenarbeit – nicht ausgeliefert, sondern sie können etwas tun, mehr noch, sie können sich selbst helfen.

Alle die genannten Faktoren, also Körperwahrnehmung, Aufrichtung und Körperhaltung sowie die Selbstwirksamkeitstechniken, führen dazu, dass sich die Konzentrationsfähigkeit verbessert und die Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit erhöht werden. Das führt auch dazu, dass das Lernen mehr Spaß macht und das Klassenklima verbessert wird.

Natürlich kann all das nur erreicht werden, wenn die Übungen nach unseren Workshops in der Klasse regelmäßig - am besten täglich - durchgeführt werden.

KKW: Welche Herausforderungen erlebst du und das Team in der Schule nach Corona?

ME: Die Arbeit in den Klassen ist nach Corona deutlich herausfordernder geworden. Vor der Pandemie hatten wir in jeder Klasse drei bis vier Kinder, welche die Übungen nicht (richtig) durchführen konnten. Jetzt, nach der Pandemie, haben wir drei bis vier Kinder, die die Übungen korrekt machen. Das bedeutet für unsere Trainer, dass sie sehr viel in der Klasse herumlaufen müssen, um jedem Kind bei der jeweiligen Übung zu helfen. Man sieht also, dass die Entwicklung der motorischen Kompetenzen nicht so ablaufen konnte, wie sie eigentlich sollte. Hier gibt es großen Nachholbedarf. Dafür bieten die Übungen unserer Programme eine gute Möglichkeit, um ein, nennen wir es mal „Nachreifen“ zu ermöglichen.

Außerdem ist die Unruhe in den Klassen deutlich höher als vor Corona. Die Kinder zappeln mehr herum – eben, weil sie sich einfach nicht spüren. Die Körperwahrnehmung und das Gefühl für die eigenen Körpergrenzen ist häufig nicht altersgerecht entwickelt und führt zu Unsicherheit und diese wieder zu diesem „Zappeln“.

Andererseits muss ich aber auch sagen, dass die Kinder unsere Angebote zur Berührung im Programm „Fit für die Schule – Stark fürs Leben“, aber auch im Bewegungsprogramm „Aufrecht durchs Leben – Kinder in Balance“, mit Begeisterung annehmen. Sie zeigen deutlich wie dringend sie diese Form der Stimulation brauchen. Das drückt sich auch durch die immer wieder gestellte Frage aus: „Wann kommst du wieder?“

Während Corona war es wichtig, dass man darauf geachtet hat, Abstand zu anderen zu halten, um sich nicht zu infizieren. Jetzt ist es aber wichtig Berührung wieder als etwas Gutes, als etwas Normales zu erleben, und nicht als etwas, das dazu führt krank zu werden.

Die Pädagogen bemühen sich, all diese Punkte auszugleichen. Sie erzählen uns oft, wie schwierig es für sie ist, den reglementierten Lehrplan und die individuellen – und durch Corona veränderten - Bedürfnisse der Kinder unter einen Hut zu bringen. Der Beruf des Pädagogen ist durch Post-Corona noch schwieriger geworden. Meine Achtung vor der Leistung und den Belastungen dieses Berufsstandes ist sehr hoch. Hier bräuchte es tatsächlich mehr Unterstützung. So kam es zur Entwicklung von speziellen Lehrerfortbildungen zur Eigenfürsorge.

KKW: Was ist deine Vision für die Zukunft?

ME: Es gibt viele Fördermöglichkeiten und -gelder. Ich möchte verstärkt daran arbeiten unsere Programme über diese Finanzierungen abwickeln zu können, um noch mehr unserer Trainer:innen einsetzen zu können. Das ist allerdings immer mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden, der ehrenamtlich immer schwerer zu erbringen ist. Ich bin sehr dankbar über die vielen helfenden Hände und Köpfe in meinem Umfeld, die mich hier tatkräftig unterstützen.

Was ich mir schon lange wünsche ist ein generationenübergreifendes Projekt umsetzen zu können. Kinder aus Schule oder Kindergarten gemeinsam mit Senioren. Das wäre wirklich schön! Vielleicht dauert es noch ein wenig, aber irgendwann werden wir das sicher machen!

Wenn mir eine Fee einen Wunsch genehmigen würde, dann würde ich mir wünschen, dass unser Angebot in jedem österreichischem und deutschen Bundesland und jedem Schweizer Kanton für die Kinder finanziert wird.

KKW: Ich danke dir, Martina, für den Einblick in deine Erfahrungswelt mit dem Samurai-Programm.

das Samurai-Programm
Hier kannst du mehr über das Samurai-Programm erfahren: