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BabyShiatsu für herzkranke Babys und ihre Familien

Projekt Herzpunkte

~ 10 Minuten
Karin Kalbantner-Wernicke

Das Projekt „Herzpunkte“ bietet Familien die Möglichkeit, die Zeit vor, während und nach einer Herzoperation leichter zu gestalten. Ursprünglich wurde das Projekt gemeinsam mit Dr.med Ines Eggers (Kinderärztin) und  Dr. med. Georg Bartolomaeus (Kinderkardiologe) ins Leben gerufen. Nach dem unerwartetem Tod von Dr. Bartolomaeus ruhte das Projekt für einige Zeit. Und wir haben es dann vor zwei Jahren wieder gestartet. Dieses Jahr haben wir gemeinsam mit Dr. med. Carol Brouwer das Projekt mit ihrem Team in der Uni-Klinik Leiden eingeführt. 

Die Zeit vor, während und nach der Operation ist für die ganze Familie eine außergewöhnlich schwere Zeit. Ungewissheit, Angst und Hilflosigkeit, eine überwältigende Gerätemedizin, den Eltern fehlende Gespräche und Informationen sowie das Gefühl, nur wenig für das eigene Kind tun zu können, bestimmen die Zeit im Herzzentrum. Auch danach dauert es noch lange, bis das betroffene Kind, die Eltern und Geschwister wieder zur Ruhe kommen und in einen geregelten Alltag zurückfinden. Diese Zeit ist für die operierten Kinder oft geprägt von Unruhe, Weinen, schlechtem Schlaf und Ernährungsproblemen.

Dr. Eggers und Dr. Bartolomaeus Aussagen von Eltern gesammelt. Ein paar exemplarische Stimmen von betroffenen Eltern zeigen deren Hilflosigkeit:

„Wir hatten uns mehr Unterstützung während des Aufenthaltes gewünscht. Es war kaum Zeit für Gespräche, nur während der kurzen Visiten.“

„Die Familie hinter dem Patienten ist total vergessen worden.“

Deshalb unterstützt das Projekt„Herzpunkte“ die betroffenen Eltern darin,  vor der Operation zu Hause, auf der Intensiv- und Nachsorgestation sowie in der Zeit nach der Entlassung aus der Klinik aktiv etwas für ihr Kind tun zu können. Doch nicht nur für  das Kind, ebenso wichtig ist es für die Eltern, etwas zur eigenen Unterstützung und Stärkung zu tun, um die Kraft für diese herausfordernde Zeit aufzubringen – und Geschwister mit im Fokus zu behalten. Auch dafür steht das Projekt„Herzpunkte“.

Nun freue ich mich sehr Dr. Med. Carole Brouwer selbst zu Wort kommen zu lassen:

Karin Kalbantner-Wernicke:  Liebe Frau Brouwer, vielleicht möchten Sie sich kurz vorstellen? 

Dr. Brouwer: Ich arbeite als pädiatrische Intensivmedizinerin  auf einer Kinderintensivstation im medizinischen Zentrum der Universität Leiden in den Niederlanden. Etwa 60-65 % unserer Intensivpatienten werden aufgenommen, weil sie eine angeborene Herzerkrankung haben, für die sie vor und nach der Herzoperation intensiv betreut werden müssen.

KKW: Wie haben Sie BabyShiatsu und unser Projekt “Herzpunkte" entdeckt, das Familien die Möglichkeit bietet, die Zeit vor, während und nach einer Herzoperation zu erleichtern.

Dr.Brouwer: Dahinter steckt eigentlich eine ziemlich lange Geschichte. Ab 2014 habe ich versucht, mein persönliches Interesse an Massage in meinen Beruf zu integrieren. Ich machte einen Einführungskurs Shiatsu bei Zen Shiatsu in Amsterdam und einen Kurs Massagelehrer in Babymassage bei Sterrekind in Den Haag. In einem der Postgraduierten-Workshops des Zen-Shiatsu-Kurses ging es um Baby-Shiatsu, das von Ihnen gehalten wurde, und das war der Auslöser für mich, diesen Bereich des Shiatsu zu erforschen und so begann ich, Ihr Buch zu studieren. 

Da es nur wenig Erfahrung mit Massage auf der pädiatrischen Intensivstation (PICU) gab, besprach ich meine Ideen mit Leuten, die an der Frühmobilisierung in den PICU-Programmen beteiligt waren und beschloss, Shiatsu auf der PICU bei Kindern anzuwenden, die stabil waren, nicht an einem Beatmungsgerät hingen usw., also nur bei Kindern, die eine hohe Pflege erhielten und nicht auf der Intensivstation. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Shiatsu gut anwendbar ist und einige Vorteile gegenüber anderen Massageformen hat: Die Kinder haben Shiatsu besser vertragen als andere Massageformen, es muss kein Öl verwendet werden, das sich mit Pflastern usw. verträgt und das Kind muss nicht entkleidet werden. Es gab keine unerwünschten Wirkungen und das medizinische Team war immer mehr davon begeistert. Nach und nach begann ich, Shiatsu bei Kindern anzuwenden, die an einem Beatmungsgerät hingen oder andere Formen der Intensivpflege benötigten. Es gab jedoch mehr Kinder, die für Shiatsu in Frage kamen, als ich behandeln konnte. In der Zwischenzeit hatten mehrere Kollegen Interesse gezeigt, Shiatsu auch auf der Kinderintensivstation kennen zu lernen. Und das war der Moment, in dem ich mich mit Ihnen in Verbindung setzte, um mich über die Möglichkeiten einer Ausbildung in Baby-Shiatsu zu informieren. Zufälligerweise hatten Sie gerade ein Shiatsu-Programm für Eltern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern entwickelt, das durch COVID-19 und den Verlust eines der Kinderkardiologen worden war. Hier passte Ihr Projekt perfekt zu unserem Bedarf an einer auf unsere speziellen Patienten ausgerichteten Ausbildung.

KKW: Was waren Ihre Wünsche für dieses Projekt? Zu welchen Themen wünschen Sie sich Unterstützung?

Dr. Brouwer: Wir würden Shiatsu gerne zur Unterstützung von Säuglingen und Eltern nach einer Herzoperation einsetzen. Oft erleben Säuglinge mehrere Momente unangenehmer Berührungen, die mit notwendigen Eingriffen zusammenhängen. Zum Beispiel kann das Drehen und Bewegen eines Kindes aufgrund von Schmerzen, Unwohlsein, einem Atemschlauch, der bei Bewegung reizt usw. unangenehm sein. Hinzu kommen schmerzhafte oder unangenehme Prozeduren wie das Legen eines i.v.-Zugangs, Echokardiographie oder andere Ultraschalluntersuchungen oder durch das Absaugen von Schleim durch den Tubus. Wir möchten, dass auch diese Säuglinge angenehme, beruhigende Berührungen erfahren. Darüber hinaus stimulieren tiefe Berührungen wie beim Shiatsu das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung sorgt.

Auch muss berücksichtigt werden, dass die neurologische Entwicklung von Säuglingen während der Aufnahme auf der Kinderintensivstation in gewissem Maße gestört ist, weil sie sediert sind oder zu krank, um viel Aktivität zu zeigen, oder in ihren Bewegungen eingeschränkt sind. Eine gut regulierte Stimulation und Bewegung durch Physiotherapie und Shiatsu kann ihre neurologische Entwicklung fördern.

Schließlich ist die Aufnahme auf der Kinderintensivstation und die Operation eine stressige Zeit für die Eltern. Sie sind oft besorgt, fühlen sich überfordert oder machtlos und haben manchmal Bindungsprobleme. Indem wir den Eltern einfache Shiatsu-Techniken beibringen, die sie an ihrem Kind anwenden können, aber auch Techniken, die sie für sich selbst oder gegenseitig anwenden können, hoffen wir, die Eltern zu stärken, die Bindung zu ihrem Kind zu fördern und ihr Wohlbefinden zu steigern. Studien haben gezeigt, dass das psychische Wohlbefinden der Eltern, insbesondere der Mutter, mit der neurokognitiven Entwicklung ihres Kindes zusammenhängt, auch bei Kindern mit angeborenem Herzfehler.

KKW:Wir haben dann das Training für das Team durchgeführt. Haben Sie die Techniken bereits angewendet und schon Erfahrungen machen können?

Dr. Brouwer: Wir wenden Shiatsu nun schon seit einigen Wochen an. Die meisten von uns haben die Erfahrung gemacht, dass wir bei instabilen Kindern nur Shiatsu an Händen und Füßen machen können. Wenn das Kind stabiler wird, können einige Bewegungen, z. B. mit den Beinen und die Massage des Bauches hinzukommen. Die letztgenannten Techniken scheinen sich positiv auf den Stuhlgang und auf Koliken auszuwirken, die eine häufige Ursache für Unbehagen und Unruhe bei einem Kind auf der Kinderintensivstation sind. Das Kind muss sich erst wieder erholen, bevor die gesamte Shiatsu-Sequenz angewendet werden kann. 

KKW: Haben Sie bereits Erfahrungen gemacht, wie die Eltern das Programm annehmen?

Dr.Brouwer: Im Allgemeinen reagieren die Eltern positiv, wenn wir ihnen die Möglichkeit anbieten ihrem Kind Shiatsu zu geben. Am Anfang sind sie manchmal etwas unsicher und zögerlich, die Technik selbst anzuwenden, aber wenn wir anfangen und sie uns beobachten, werden sie selbstbewusster. Nach einigen Sitzungen sind sie bereit, Shiatsu gemeinsam mit uns auszuprobieren. Sie bringen zum Ausdruck, dass sie sich glücklich schätzen, ihr Kind auf diese Weise unterstützen zu können.

KKW: Ich weiß, dass in Ihrer Klinik sehr viel Wert auf Elternarbeit gelegt wird. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Dr. Brouwer: In unserem Krankenhaus engagieren wir uns sehr für eine familienzentrierte Pflege, mit Besuchen am Krankenbett (bei denen wir die Situation des Kindes mit den Krankenschwestern besprechen, während die Eltern am Bett sitzen, wir erklären den Eltern unsere Diskussionen und beantworten ihre Fragen), wenn die Eltern viele Fragen haben, setzen wir uns am Nachmittag zusammen und sprechen darüber, bei stabilen Kindern setzen wir uns einmal pro Woche zusammen und führen eine Nachbereitung durch, bei weniger stabilen Kindern mehrmals pro Woche, und am Nachmittag machen wir eine kurze Visite, bei der wir auch mit den Eltern sprechen, wenn sie dabei sind. Die Eltern können Tag und Nacht bei ihrem Kind sein (wir raten allerdings davon ab, dies über längere Zeiträume zu tun, da die Eltern auf der Station im Allgemeinen nicht gut schlafen und dies ihr Wohlbefinden beeinträchtigt) .

KKW: Für September ist eine kleine Studie geplant, wie soll diese aussehen?

Dr. Brouwer: Die Studie wird wahrscheinlich nicht vor dem letzten Quartal 2023 stattfinden. Zunächst wollen wir, dass jeder viel Erfahrung in allen Aspekten der Behandlung sammelt. Für die Studie wollen wir nur die Hand- und Fußmassage durchführen und die Eltern für den Zeitraum der Studie unterrichten, da dies die erste Behandlung ist, die bei instabilen Kindern möglich ist und den Eltern relativ leicht beigebracht werden kann. Anschließend werden wir die Auswirkungen anhand von Fragebögen hinsichtlich des Wohlbefindens der Eltern und des Kindes, der Schlafdauer, der Verwendung von Beruhigungsmitteln, der COMFORT-Werte (Beruhigung und Komfort), des Wachstums und möglicherweise des Cortisolspiegels (Stresshormon) bewerten. Darüber hinaus werden wir wahrscheinlich auch die Auswirkungen der Bauchmassage und der Beinbewegung bei Koliken und Stuhlgang bewerten. 

KKW: Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Erfahrung mit uns zu teilen. Ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse. Es ist für uns eine Herzensangelegenheit, Eltern und Babys auf diesem schwierigen Weg zu begleiten und zu unterstützen

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